"Seele und Körper wircken galvanisch aufeinander ... deren Gesetze aber in einer höhern Region liegen."  -  "Kraft ist die Materie der Stoffe. Seele die Kraft der Kräfte.  Geist ist die Seele der Seelen. Gott ist der Geist der Geister."  Im Fadenkreuz dieser horizontalen und vertikalen Koordinaten aus Fragmenten des Novalis angesiedelt sind auch Denken und Werk von Peter Kaiser. Im Faltblatt der Galerie Mitte schreibt er 1982 über sich: "Serieller Produktion abhold, weder geneigt, noch imstande Geräusche zu machen oder moderne Graphik, immer still und innerlich, so woben mich die Parzen."  - die Töchter der Nacht und Dienerinnen des Schicksals, deren Schwester Nemesis Stolz und Übermut hemmt.

In den fünfziger Jahren zusammen mit Penck im Zeichenkurs von Strawalde, kann sich dieser, wie Kaiser glaubt, an den lautlosen Adepten kaum erinnern. In chaotischen Nächten Loschwitzer Kneipen neben einer imaginären DDR bildete er einen Ruhepol des Geistigen. Das Studium an der ideologieträchtigen Dresdner Kunsthochschule beendete er vorzeitig - er wollte nicht auf eine Baustelle zeichnen gehen, da er als Steinmetz von einer Baustelle kam ... Von den Förderern Jüchser und Rosenhauer gestärkt, galt er, wie auch sein Freund Horst Leifer, als geheime Empfehlung in der Tiefe der Dresdner Kunst. In besagtem Faltblatt schreibt er weiter: "Die Alten und die Klassiker der Moderne sind mir teuer, auch das 19. Jahrhundert, außer Repin."  Seine Bilder und Zeichnungen waren und sind ein gewichtiges Pendant zu den lauten, intellektuellen und konzeptionellen sozialkritisch-kryptischen Strömungen zeitgenössischer Kunst. Seine Sujets, neben Landschaften vor allem und fast ausschließlich die menschliche Figur, verdichtet er zu pretiosenartigen Kabinettstücken einer fast verlorenen Malkultur. Wie des Esseintes bei Huysmans aus edlen Steinen und Elixieren erzeugt er komprimierte Symphonien aus Farbe und Form. Die Sinnlichkeit der Körper, der Hauch des Schönen wird mit einem nervigen Liniengewusel und einer magischen Flächenintensität ausgewählter Farbigkeit zur Hochspannung aufgeladen. Er arbeitet in einem Bereich, wo Fragen nach Abstraktem und Gegenständlichem unwirklich werden. Wie Christian Rohlfs, dessen 150. Geburtstag in die Zeit dieser Ausstellung fällt, das Informel schon in Hintergründen und Strukturen seiner Bildwelt realisierte, nahm Peter Kaiser im Namen der blauen Blume des Neo-Informel ostdeutscher Provenienz schon in der Mikrostruktur seiner Blätter und Bilder der sechziger und siebziger Jahre vorweg. Als seine Mutter, die Autodidaktin Johanna Kaiser als Rentnerin begann, in Orgien von Ölfarbe zu schwelgen, setzte er seine Tafelmalerei zu Gunsten der feinsinnigen Zeichnung fast völlig aus. Ausnahme bleibt eine Serie von Bildern zum Thema "Winterreise", die er vom Ende der siebziger bis an die neunziger Jahre heranführte. Die Unbehaustheit des Wanderers, die Vereinsamung des Geistigen in roher kalter Nacht, bewegte ihn zum Vortrag jener Schubert-Lieder, mit großer dunkel timbrierter Baritonstimme.

Es wird die Zeit kommen, da auch die neuen Fachleute für Kunst im Osten wieder die Qualitäten der auf lange Zeit von "sozialistischem Realismus" korrumpierten und überlagerten tradierten Mal- und Zeichenkunst sehen und schätzen lernen. Das Werk von Peter Kaiser wurde genährt und zur Blüte geführt von den besten Wurzeln im Innersten der Dresdner Malkultur, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts existierten, und wird diesen Stab ins nächste Jahrtausend tragen.

 

Gunter Ziller

(aus Katalog: "Peter Kaiser", Galerie Hieronymus, Dresden, 1999) 

 

 

 

 

Winterreise. 80er Jahre. Ölgemälde. Privatbesitz

Liebespaar. Mischtechnik auf Pappe. Privatbesitz

 

 

 

Akt am Strand. Öl auf Hartpappe. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kunstfonds  

 

 

 

Paar. 1979. Mischtechnik auf Papier. Privatbesitz

Landschaft. Kreiden auf Papier

 

 

 

Sitzende mit schwarzen Strümpfen. 2000. Wasserfarbe, Kreiden 

Schreitende mit schwarzen Strümpfen. Kreide

 

 

 

Stehende nach vorn gebeugt. Tusche, Kreiden

Knieende mit schwarzen Strümpfen. 1997. Kreiden

 

 

 

Liegender Rückenakt. Kreiden